„Wir sind hier so ziemlich am Ende der Welt“, meint Hermann Klammer und lacht: „Aber schön ist es schon!“ Klammer ist Hüttenchef der Jausenstation Holzerböden und die steht mit ihren traditionellen Hüttchen, die allesamt Steine auf den alten Schindeldächern haben, inmitten eines wunderschönen, gigantischen Amphitheaters der Natur, dessen oberste Ränge die Dreitausender des Ahrntals markieren.
Es kommt halt immer auf die Perspektive an. Ist man gerade erst über den Brenner gekommen, fühlt es sich so an, als ob der Süden genau hier, direkt auf der Bank vom Hermann anfängt. Wo man sich den Rücken so schön am dunklen Holz der Hüttenwand aufwärmt, die jeden Strahl der Sonne aufsaugt und speichert. Hinter uns, über den sommerbunten Bergwiesen der Holzerböden, steigt der Alpenhauptkamm geradewegs in den Himmel. Die Eisflanken des Großen Löfflers, das riesige Trapez des Schwarzensteins und viele andere Giganten der Zillertaler Alpen grenzen das Ahrntal dort oben von den Nordalpen ab. Halten die Regentiefs fern und so manche Kaltfront.
Und so ist auf den Ahrntaler „Sonnenwegen“ der Name meist auch Programm: In Bestlage schlängelt sich ein Netz von Wanderwegen durch Blumenwiesen, quert die zahlreichen Seitentäler, in denen das Schmelzwasser der Gletscher steil zu Tal donnert, und passiert immer wieder hübsche Berghöfe und Jausenstationen. Wie die vom Hermann Klammer. Beim Anstieg zu den Holzerböden darf man sich dabei nicht über die Holzskulpturen wundern. Wenn der Chef Zeit findet zwischen dem Graukäsemachen und dem Zirbenschnapsbrennen, wirft er die Motorsäge an und wird zum Künstler. Aus Baumstümpfen entstehen Stühle und Bänke, Pilze und Herzen, mitten im Wald. „Man muss den Leuten ja was bieten, wenn sie sich schon auf den Weg zu uns gemacht haben“, meint der Mann.
Zufällig gelangt man nicht ins Ahrntal. Ohne Wegweiser würde man es nie finden. Wer von Bruneck aus auf die breite Talschneise des Tauferer Tals zufährt, könnte meinen, dass hinter den Türmen und Zinnen von Burg Taufers Schluss ist. Als große Mauer aus Felsen und Gletschern riegeln die Zillertaler Alpen darüber den Himmel ab. Davor ist Platz für ein schmales, langes Tal. Und was für eins! Hinter Sand geht es steil bergauf und aus dem weiten Tauferer wird das alpine Ahrntal mit seinen 80 Dreitausendern, mittendrin im hochalpinen Herzen der Ostalpen. Eine Art Südtiroler Halbinsel, die sich ins österreichische Nordtirol und Osttirol hineinschiebt. Von den 15 Dörfern im Tal führen Wanderungen von den Wiesen im Talgrund hinauf bis an die Gletscherzone.
Es gab eine Zeit, da war das Ahrntal noch mittendrin. Zwei Dutzend Übergänge führen schließlich über die Berge hinein und die wurden seit der Keltenzeit genutzt. Im Mittelalter gruben sich Bergleute aus ganz Europa durch die Kupferstollen von Prettau und Kasern. Anfang des 20. Jahrhunderts waren dann Kaufleute hin und weg von der Klöppelkunst der Ahrntaler Bäuerinnen. Einheimische Schmuggler und Wilderer nutzten die Wege zum Überschreiten der Grenze nach Österreich.
Alles vorbei. Geblieben sind die alten Pfade inmitten einer traumhaften Bergkulisse. Aber falls es einem auf den Sonnenwegen mal zu warm werden sollte: Im Schaubergwerk von Prettau kann man sich bei 8 Grad Celsius im Klimastollen erfrischen!
Der Ahrntaler Sunnsatweg ist das verbindende Element zwischen verschiedenen Sonnenwegen. Sein Wegsymbol ist die Sonne. In ganzer Länge (man kann zwischendrin einsteigen) ist die Wanderung mittelschwer (7 Std., 490 HM, Start St. Peter/Kirche oder Luttach/Sportbar). Die urige Holzerbödenalm ist einen längeren Stopp wert. Den Zirbenschnaps sollte man aber nur probieren, wenn man danach nicht mehr länger gehen will! Mehr Infos auf der Website der Ferienregion Kronplatz, www.kronplatz.com
Das Tauferer Ahrntal liegt im Nordosten Südtirols, im äußersten Norden Italiens. Auf seinen Wanderpfaden lässt sich die hochalpine Bergwelt bestens erkunden.