Wenn ihr Tee in allen Facetten kennenlernen wollt, seid ihr in Taipeh genau richtig. Die Stadt ist voll von exklusiven Teehäusern und -läden, und Kenner prophezeien dem Getränk eine goldene Zukunft, trotz weltweiter Kaffee-Euphorie. Das liegt auch am Kultgetränk junger Leute, dem süßlichen Bubble-Tea, einer Erfindung aus Taiwan. Dabei gilt: Die Tee-Kunde ist ähnlich komplex wie die des Weins, Kaffees oder Tabaks.
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts fand man heraus, dass Taiwan (damals Formosa genannt) ideale klimatische und bodenchemische Voraussetzungen für den Teeanbau liefert. Tee wurde neben Zuckerrohr und Campher rasch zum wichtigsten Exportgut der Insel. Heute sind es zwar längst Computer und Handys, aber der Tee ist immer noch wichtig. Seine süßlich-herben Aromen, seine psychoaktiven Effekte als zartes Rausch- oder Aufputschmittel und seine soziale Komponente machen ihn für die Menschen unverzichtbar.
Taiwans weltweit geschätzter Spitzentee ist der Oolong, den man mehrfach kurz aufgießen sollte. Er ist ein halboxidierter Tee, im Gegensatz zum nicht oxidierten Grüntee und dem voll oxidierten Schwarztee. Vom Oolong gibt es diverse Sorten: Oriental Beauty Oolong (stärker oxidiert und von bestimmten Insekten symbiotisch befallen; die aktuelle Queen Elizabeth prägte den Namen), Dong-Ding (schwache Oxidation), Pouchong (schwache Oxidation, leicht, aus Pinglin bei Taipeh), Eisen-Göttin (gerösteter, kräftiger Oolong, rötlich-braune Farbe) oder Lishan (aus Regionen über 2200 Meter, einer der teuersten Tees überhaupt).
Der Bubble-Tea hingegen ist ein gesüßter Massentee und mit Milch und Tapioka-Perlen versetzt. Den trinkt man bei heißem Wetter eiskalt zur Erfrischung, aber auch warm, wenn es kühler ist. Er wird wie Milchshake zubereitet und ist entgegen anders lautender Medienberichte nicht gesundheitsschädlich, dafür echt lecker.
Tee begründete in Asien das soziale Miteinander. Gemeinsames Teetrinken wurde zum Ritual, in Japan extrem stilisiert und von Disziplin geprägt, in China eher als lockeres Treffen, nach der Arbeit etwa oder in der Familie. Die anregende Wirkung des Getränks gilt dabei in China noch immer als mystisch. Man trifft sich in Teehäusern und zelebriert die Zubereitung in winzigen Kännchen, in denen die Teeblätter immer wieder aufgegossen werden, so dass trotz der geringen Dimension des Behälters doch eine ganze Menge Tee zusammenkommt.
Teehäuser sind zudem ein neutraler dritter Ort zwischen Arbeit und Zuhause, wie unsere Bars oder Kneipen, nur ohne Alkoholzwang, also klar vielseitiger. Sie bieten die Möglichkeit, sich ohne Gastgeberzwänge mit anderen zu treffen, und darum geht es im Grunde ja immer. Ob es nun die starre japanische Art ist oder die entspanntere chinesische.
Pinglin liegt 30 Kilometer von Taipeh entfernt in einem tiefen Tal. Früher war der Ort nur auf einer abenteuerlichen Kurvenstraße zu erreichen, auf der Biker noch immer in Schräglage ihre Tapferkeit beweisen. Alle anderen nutzen heute einen 13 Kilometer langen Tunnel, den längsten des Landes. Der Abstecher lohnt sich: Am Ziel kann man ein hochmodernes, wirklich gut gemachtes Museum zum Thema Tee besuchen.
Es erzählt die gesamte Geschichte dieses anregenden Getränks von den Anfängen in China bis zum Kult in Holland, England und am Zarenhof. Und es zeigt auch, wie die „Boston Tea-Party“ zur Unabhängigkeit der USA beitrug – weil England stur an der Teesteuer festhielt, wurde anno 1773 kostbarer Wuyi-Tee von aufgebrachten Siedlern ins Hafenbecken geworfen, woraufhin der Widerstand gegen die britische Kolonialpolitik eskalierte.
Teeplantagen existieren in ganz Taiwan, vor allem aber in den höheren Lagen und einige davon kannst du nach Voranmeldung besuchen. Die Plantagen in Alishan, Lugu, Pinglin und Shidan sind weltbekannt. Anders als bei manchen Sorten aus Festlandschina lässt man in Taiwan die Teepflanzen nicht baumhoch wachsen, sondern sie bleiben Sträucher, um besser ernten zu können. Der größte Teil der Teeproduktion geschieht bei Kleinbauern mit uraltem Know-how, was die Oxidation (auch Fermentation genannt), das Trocknen, Rollen und Rösten angeht.
In Taipeh kann man seine Tee-Erfahrungen in modernen, zeitgeistigen Teehäusern wie Zenique oder Cha-Cha (die gleichzeitig auch Teegeschäfte sind) machen oder in klassischen Old-School-Etablissements wie Wistaria, South Street Delight oder e2000. Die benutzen meist auch klassisches Geschirr, teilweise wunderschöne handgemachte Stücke. Ursprünglich konzentrierte man sich in China wirklich nur auf den Tee und die Gespräche, neuerdings wird zum Tee auch kunstvoll angerichtetes Gebäck gereicht.
Einerseits finden sich in Taiwan allerfeinste Fachgeschäfte für die erlesensten Sorten lokalen Oolong-Tees, aber auch kaum als solche erkennbare Shops, die in irgendwelchen Garagen Massentees verkaufen. Schließlich gibt es jede Menge Geschäfte, die die notwendigen Utensilien für den gepflegten Teegenuss anbieten: Teller für Teegebäck, winzige Teekesselchen, eierbecherkleine Teeschalen, Löffelchen, Teetabletts mit Wasserablauf, Deckchen und vieles mehr. Da macht das Einkaufen Spaß.
Im Video bekommt ihr live einen handgemachten Bubble-Tea serviert:
Pinglin im Bezirk Neu-Taipeh liegt am südöstlichen Rand der Stadt und zählt ca. 6500 Einwohner. Die meisten Einwohner Pinglins sind im Teeanbau beschäftigt.
Die Hauptstadt der Republik China (Taiwan) liegt im nördlichen Teil der Insel und zählt knapp 2.7 Millionen Einwohner. Die Flugzeit ab Frankfurt beträgt etwa zwölfeinhalb Stunden.