Markant ragt ein eigenwilliger Felsen in den Himmel – der Roque Nublo (spanisch für „Wolkenfelsen“) hat seinen Namen wahrlich verdient. Seit Jahrtausenden wird der 65 Meter hohe Monolith bewundert und verehrt, und noch heute gilt er als ein Wahrzeichen der Insel Gran Canaria.
Der Roque Nublo thront auf dem gleichnamigen Berg im Zentrum von Gran Canaria. Seine Spitze markiert eine Höhe von 1813 Meter über dem Meeresspiegel und zählt damit zu den höchsten Erhebungen der Insel. Doch es ist nicht unbedingt die Größe, die ihn so besonders macht. Er wirkt wie ein Kunstwerk, das von Götterhand auf dem Berg platziert wurde und von zwei Statuen flankiert ist: Neben ihm stehen „La Rana“, „der Frosch“, der zum Wolkenfelsen heraufschaut und „El Fraile“, „der Mönch“, der die Hände zum Gebet gefaltet zu haben scheint.
Schöne Interpretationen zum Wesen der Felsformationen, ihre Entstehungsgeschichte ist allerdings etwas nüchterner. Tatsächlich sind die Felsen Überreste eines einst viel höheren, längst erodierten Stratovulkans. Der heutige Roque Nublo war ein Pfropfen im Vulkanschlot. Er überstand mehrere Ausbrüche, erhärtete sich und blieb schlussendlich als Felsnadel von immenser symbolischer Kraft für die Ureinwohner der Insel stehen. Den Altkanariern war der Basaltfelsen heilig. Mit dem Boden verwurzelt und zugleich verbunden mit dem Himmel war er der perfekte Kultort, an dem sie dem Sonnengott ihre Opfer darbrachten.
Der gesamte Ort hat wirklich etwas Mystisches. Nicht selten wird die Spitze des Roque Nublo von Wolken umhüllt – daher auch der Name „Wolkenfelsen“. Und ringsherum eröffnet sich eine zerklüftete Landschaft von unglaublicher Vielfalt. Schroffe Felswände treffen auf tiefe Täler, und von den Bergen aus lassen sich eingesunkene Krater des ehemaligen Vulkans bewundern, wie zum Beispiel die Caldera de Tejeda mit einem Durchmesser von 25 Kilometern. Bester Aussichtspunkt auf das Naturwunder ist der Mirador Degollada de las Palomas, der weite Blicke über das Tal bietet.
Der Roque Nublo ist in den größten Naturraum Gran Canarias eingebettet, den nach ihm benannten Parque Rural del Nublo. 2005 wurde die 26.000 Hektar große Region von der UNESCO zum Weltbiosphärenreservat erklärt. Die biologische Vielfalt ist bemerkenswert, die Palette reicht von kanarischen Kiefernwäldern über Strauchlandschaften bis hin zu farbenfrohen Blütenpflanzen wie dem leuchtend gelben Ginster.
Die mystische Kultstätte ist heute noch ein symbolträchtiger Wallfahrtsort für die Einheimischen. Doch auch Touristen wollen den Felsen bewundern und in der schönen Gegend wandern. Es gibt zahlreiche Routen, viele davon sind nicht allzu beschwerlich und bieten trotzdem tolle Panoramen. Die beliebteste Trekkingroute (ca. 4,7 km, 2 Stunden, leicht) startet am Steinplateau La Goleta, wo ein Parkplatz (Aparcamiento de la Degollada de La Goleta) angelegt ist. Schon die Fahrt dorthin ist ein Erlebnis, es geht bergauf durch eine enorm vielfältige Landschaft, wobei immer wieder ein Fotostopp lockt.
Vom Parkplatz aus wählt man am besten den mittleren Weg Richtung Roque Nublo (S-70). Er führt mit meist nur geringer Steigung am Bergrand entlang mit großartigen Weitblicken über die Landschaft und das Dörfchen Ayacata. Auf dem Plateau des Roque Nublos angekommen, werdet ihr mit einer gewaltigen Aussicht in alle Himmelsrichtungen belohnt, bei gutem Wetter gar bis zum Teide-Gipfel auf der Nachbarinsel Teneriffa. Lasst den Ort auf euch wirken, bevor es von dort aus wieder zurück zum Parkplatz geht.
Mutige und erfahrene Kletterer setzen sogar noch eins oben drauf und nehmen die Besteigung des eigentlichen Felsens in Angriff – mehrere Klettersteige führen hinauf auf die Spitze. Doch keine Sorge, auch ohne die letzten Höhenmeter wird euch der Roque Nublo mit seiner geologischen und spirituellen Geschichte stets im Gedächtnis bleiben.
Der vom gleichnamigen Felsen gekrönte Berg liegt im Municipio Tejeda, im Zentrum Gran Canarias. Bis zu den nächstgelegenen Ortschaften Ayacata im Süden und La Culata im Nordosten sind es jeweils zwei Kilometer.